Scheinselbständigkeit

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Die Falle der Scheinselbständigkeit: Laut jimdo.de gibt es inzwischen fast 1,4 Millionen aktive Freelancer in Deutschland. Nirgendwo sonst in Europa sind mehr Solo-selbständige gemeldet. Weil die Zahl der Freelancer durch neue Arbeitsformen wie Uber, Lieferando & Co. stetig wächst, rückt auch das Thema „Scheinselbständigkeit“ in letzter Zeit immer mehr in den Fokus. Sowohl Arbeitgeber als auch regelmäßig für Unternehmen tätige Freiberufler sollten sich gerade bei diesem Thema besonders vorsehen: Der Status der Scheinselbständigkeit kann bei einer Prüfung schneller vorliegen, als man denkt – und das mit empfindlichen Sanktionen für alle Beteiligten…

Inhaltsverzeichnis: das erwartet Sie in diesem Artikel

  1. Scheinselbständigkeit: Empfindliche Strafen drohen
  2. Welche Berufsgruppen sind besonders gefährdet?
  3. Nochmal zurück zur Definition: Was liegt Scheinselbständigkeit vor?
  4. Kriterien der Rentenversicherung für Scheinselbständigkeit
  5. Freie Mitarbeit: die Kriterien
  6. Vorsorge-Checkliste für Auftrageber
  7. Urteil: Thema „Scheinselbständigkeit“ dringend im Auge behalten
  8. Rückblick in die 2000er: nur wenig Regularien
  9. Aktuelle Einstufungskriterien: Einzelbetrachtung der Auftraggeber
  10. Aktuelle Beispiele: Merkmale für eine vorliegende Scheinselbständigkeit
  11. Wer wird wann von wem überprüft?
  12. Vorbeugen: Checkliste „Scheinselbständigkeit“ für Freiberufler
  13. Vorbeugen: Was Auftraggeber tun können
  14. Beide Seiten tragen beim Thema Scheinselbständigkeit Verantwortung
  15. VDSG: Kampagne zum Schutz von Freiberuflern

1. Scheinselbständigkeit: Empfindliche Strafen drohen

Die Kontrollen zur Scheinselbständigkeit von freien Mitarbeitern und Freiberuflern haben in den letzten fünf Jahren stark zugenommen. Dem Staat gehen durch vermeintlich selbständige, die eigentlich wie Festangestellte arbeiten, jährlich Millionen an Sozialversicherungsbeiträgen verloren. Und jeder „überführte“ Scheinselbständige bringt wiederum einige tausend Euros für die Kranken- und Rentenkasse.

Scheinselbständigkeit ist kein Kavaliersdelikt

In zahlreichen Fällen von aufgedeckter Scheinselbständigkeit mussten Auftraggeber hohe Summe zahlen – manche sind gar in Insolvenz gegangen, denn: der Auftraggeber schuldet im Falle einer bestätigten Scheinselbständigkeit seines Mitarbeiters den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung für die letzten vier Jahre. Das sind nicht selten Beträge in sechsstelliger Höhe. Unternehmer, die ihre Sozialversicherungsbeiträge nicht abführen, machen sich außerdem in manchen Fällen auch strafbar, wenn Vorsatz nachweisbar ist.

Prüfung der Scheinselbständigkeit

Eine Prüfung der Scheinselbständigkeit kann von

  • der Deutschen Rentenversicherung Bund,
  • einem Arbeitsgericht,
  • dem Finanzamt oder
  • von Sozialversicherungen

durchgeführt werden. Schwarze Schafe werden auch durch den Betriebsprüfdienst der Rentenversicherungsträger, der die Prüfungen regelmäßig durchführt, entlarvt.

2. Welche Berufsgruppen sind besonders gefährdet?

Einige Berufsgruppen stehen unter verstärkter Beobachtung: hier vermuten prüfende Stellen eine höhere Dichte an Fällen von Scheinselbständigkeit. (#1)

Einige Berufsgruppen stehen unter verstärkter Beobachtung: hier vermuten prüfende Stellen eine höhere Dichte an Fällen von Scheinselbständigkeit. (#1)

Nicht nur in den neuen Arbeitswelten, in denen kleine Aufträge kurzfristig, aber eben doch regelmäßig an Freelancer vergeben werden, ist die Grenze zur Scheinselbständigkeit groß. Besonders, wenn Fahrzeuge, Büroräume und -Equipment zur Verfügung gestellt werden. Aber auch bei „alteingesessenen“ Berufsgruppen ist das Problem der Scheinselbständigkeit schnell auf dem Tisch – denn hier kommen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer oft Arbeitsbeziehungen zustande, die einer Festanstellung sehr ähnlich sind.

Freelancer, Freiberufler und freie Mitarbeiter sind oft in wissenschaftlichen, künstlerischen, erzieherischen oder unterrichtenden Berufen tätig, wie zum Beispiel:

  • Ärzte, Honorarärzte
  • Krankenschwestern/Pflegepersonal
  • Architekten
  • Heilpraktiker
  • Ingenieure
  • Handwerker, Baubranche
  • Immobilienmakler
  • Journalisten
  • Grafikdesigner, Texter
  • Beschäftigte der Film- und Fernsehindustrie
  • Kurierfahrer
  • Lehrkräfte (Dozenten, Coaches)
  • Programmierer
  • Rechtsanwälte
  • Übersetzer
  • Berater

Ebenso gibt es in den Berufsgruppen von Immobilienmaklern über Kurier- und Kraftfahrer bis zu Reinigungskräften viele Job-Modelle, die eine Scheinselbständigkeit vermuten lassen. Ganz besonders ist dies in der Gruppe der IT-Freelancer zu beobachten: Allein in dieser Branche sind laut GULP-Datenbank (Stand März 2018) rund 90.000 Freiberufler tätig. Weil von selbständigen IT-Beratern von ihren Kunden häufig eine enge und intensive Zusammenarbeit gewünscht ist, fällt es immer schwerer, klar und deutlich von festangestellten Mitarbeitern zu unterscheiden.

3. Nochmal zurück zur Definition: Was liegt Scheinselbständigkeit vor?

Ein Scheinselbständiger erweckt auf dem Arbeitsmarkt den Rechtsschein der Selbständigkeit, obwohl in Wirklichkeit ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis besteht. Durch eine als selbständige Tätigkeit getarnte abhängige Beschäftigung liegt ein Missbrauch des selbständigen Status und der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften vor.

Die Grenze zwischen einem tatsächlich selbständigen und einem Scheinselbständigen ist allerdings sehr fließend. In Zweifelsfällen wird von den Gerichten immer eine Gesamtschau vorgenommen: Entspricht die Arbeitssituation und das Auftreten des Geprüften dem Bild eines Selbständigen oder eher dem eines abhängig Beschäftigten?

Definition eines klassischen Arbeitnehmers

Laut haufe.de ist vor allem die Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 SGB IV) maßgeblich. Mit dem ihm zustehenden Weisungs- bzw. Direktionsrecht kann der Arbeitgeber

  • die Arbeitszeit,
  • den Arbeitsort,
  • die Arbeitsdauer sowie
  • die Art der Arbeitsausführung

des Arbeitnehmers bestimmen. Der Arbeitnehmer ist zudem in die Arbeitsorganisation des Betriebs eingebunden und verfügt über

  • einen festen Arbeitsplatz mit Arbeitsmitteln, der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird,
  • Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall,
  • Überstundenvergütung,
  • Urlaubsanspruch sowie
  • Anspruch auf Sozialleistungen des Betriebs (zum Beispiel betriebliche Altersversorgung).

4. Kriterien der Rentenversicherung für Scheinselbständigkeit

Auch die Deutsche Rentenversicherung hat klare Vorgaben, unter welchen Kriterien in der Regel von einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis auszugehen ist:

  • Die erwerbstätige Person ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig. Das heißt, mehr als fünf Sechstel des Umsatzes werden nur mit einem Auftraggeber erzielt.
  • Es ist kein unternehmerisches Handeln erkennbar: Der Unternehmer verfügt über keinen eigenen Unternehmensauftritt mit Briefpapier, Visitenkarte oder Unternehmensschild.
  • Darüber hinaus ist der Mitarbeiter weisungsgebunden und beim Auftraggeber in dessen Arbeitsorganisation eingebunden.
  • Beim Auftraggeber sind für die gleiche Tätigkeit des Auftragnehmers auch angestellte Arbeitnehmer beschäftigt.
  • Der Auftragnehmer hat die gleiche Tätigkeit beim Auftraggeber zuvor als angestellter Arbeitnehmer verrichtet.

5. Freie Mitarbeit: die Kriterien

Zur Abgrenzung einer echten Selbständigkeit zu einer Scheinselbständigkeit können ebenfalls viele Kriterien eine Rolle spielen. Das Portal wirtschaftswissen.de hat eine ausführliche Liste von relevanten Kriterien in Form einer Checkliste zusammengestellt, die sowohl Auftragnehmern als auch Auftraggebern nützliche Hinweise zur Beurteilung eines möglichen Scheinselbständigkeits-Status liefert:

  • Der Auftragnehmer kann seine Arbeitszeit frei bestimmen.
  • Der Auftragnehmer ist nicht in die Dienstpläne des auftraggebenden Unternehmens einbezogen und ist nicht zur Zeiterfassung verpflichtet.
  • Er hat beim Finanzamt ein eigenes Unternehmen angemeldet oder betreibt ein eigenes, bei der IHK/HWK registriertes Unternehmen.
  • Der Auftragnehmer darf auch für andere Auftraggeber tätig werden (kein Konkurrenzausschluss).
  • Der Auftragnehmer strebt mit seinem Unternehmenskonzept die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern an.
  • Der Auftragnehmer hat genügend freie Kapazitäten, um auch für andere Auftraggeber arbeiten zu können.
  • Er kann auch Aufträge ablehnen.
  • Der Auftragnehmer wirbt für seine Tätigkeit, die zum Beispiel durch Anzeigen, Internetseite, Visitenkarte etc.
  • Er tritt stets im eigenen Namen auf, nicht in dem des Unternehmens.
  • Er hat keinen eigenen Arbeitsplatz im auftraggebenden Unternehmen.

6. Vorsorge-Checkliste für Auftrageber

Auftraggeber müssen vor allem beachten, dass …

  • Unabhängigkeit

    … der Auftragnehmer seine Leistung im Wesentlichen unabhängig von den Mitarbeitern des Unternehmens erbringt

  • Freiheit in der Ausführung

    … der Auftragnehmer keine detaillierten Hinweise zur Durchführung seiner Arbeit erhält und nur das Arbeitsergebnis kontrolliert wird

  • Eigene „Maschinen“

    … der Auftragnehmer eigenes Arbeitsmaterial und eigene Maschinen benutzt

  • Aufgabenbezogene Vergütung

    … der Auftragnehmer eine tätigkeits-/projektbezogene Vergütung erhält (die unregelmäßig und in unterschiedlicher Höhe gezahlt wird)

  • Krankheit & Urlaub

    … der Auftragnehmer keine Vergütung bei Krankheit und Urlaub erhält und seinen Urlaub frei bestimmen kann.

Quelle: wirtschaftswissen.de

Wenn sich nach der Beantwortung der Bewertungsmerkmale kein einheitliches Bild ergibt, sollte an eine Statusfeststellung bei der deutschen Rentenversicherung in Berlin gedacht werden. Diese bescheinigt dann, ob es sich tatsächlich um eine selbständige oder um eine scheinselbständige Tätigkeit handelt – dazu später mehr.

7. Urteil: Thema „Scheinselbständigkeit“ dringend im Auge behalten

Wer als Unternehmer freie Mitarbeiter beschäftigt oder eng mit Freiberuflern zusammenarbeitet, die keine anderen oder nur wenige andere Kunden haben, sollte daher dringend das Thema Scheinselbständigkeit im Auge behalten. Auch für Freelancer gilt: Die Scheinselbständigkeits-Falle schnappt schnell zu…

Bei dem folgenden Urteil erkennt man, wie schnell ein Arbeitgeber beziehungsweise Auftraggeber in diese teure Falle tappen kann. Vor dem Hier ging es um einen Kraftfahrer, der von einem Unternehmen als selbständiger Auftragnehmer geführt wurde. Er

  • besaß ein eigenes Fahrzeug,
  • stellte selbst Mitarbeiter ein und
  • hatte ein Gewerbe angemeldet.

Für seine Aufträge für den Auftraggeber nutzte er ausschließlich das Fahrzeug seiner Auftraggeberin. Die Deutsche Rentenversicherung Bund beurteilte dies schließlich als abhängige Beschäftigung, auch vor dem Hintergrund, dass er bei dem Unternehmen vor seiner selbständigkeit jahrelang als fest angestellter Kraftfahrer beschäftigt war.

Das hessische Landessozialgericht in Darmstadt bestätigte die Ansicht (Urteil vom 17.12.2009, Aktenzeichen L 8 KR 245/07). Maßgeblich sei, dass der Beschäftigte kein unternehmerisches Risiko trage. Für den Auftraggeber hatte dieses Urteil ein teures Nachspiel: Es mussten für mehrere Jahre Sozialabgaben wie Krankenkassenbeiträge und Arbeitslosenversicherung nachgezahlt werden.

8. Rückblick in die 2000er: nur wenig Regularien

Um eine Scheinselbständigkeit festzustellen, gab es bis 2003 ein einfaches zweiseitiges Formular, das an die Deutsche Rentenversicherung geschickt werden musste. Diese prüfte anhand von wenigen Kriterien die selbständigkeit. Diese waren:

  • eigene Webseite
  • eigenes Briefpapier
  • mehrere Auftraggeber

Zudem wurden folgende Fragen gestellt:

  • Erwirtschaftet der Unternehmer mehr als rund fünf Sechstel des Umsatzes mit einem einzelnen Auftraggeber
  • Beschäftigt der Selbständige sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter?

9. Aktuelle Einstufungskriterien: Einzelbetrachtung der Auftraggeber

Heutzutage wird nach einem sehr viel differenzierten Katalog beurteilt, ob ein Freelancer als scheinselbständig anzusehen ist: Während früher der Freiberufler in seiner Gesamtheit betrachtet wurde, wird heute jedes einzelne Auftragsverhältnis unter die Lupe genommen.

Das heißt, dass ein Selbständiger, der mehrere Aufträge hat, zur gleichen Zeit tatsächlich auch scheinselbständig und selbständig sein kann. Die Anhaltspunkte, um gravierende Unterschiede zu einem weisungsgebundenen Angestellten erkennen zu können, sind sehr vielschichtig und betreffen nicht nur die Arbeitsorganisation, sondern auch den Arbeitsplatz als auch die Art der Aufträge.

Hinzu kommt, dass auch kleine Details, welche die freie Entscheidung und das Wirken des Freiberuflers einschränken, als Indizien für Scheinselbständigkeit gewertet werden können.

10. Aktuelle Beispiele: Merkmale für eine vorliegende Scheinselbständigkeit

  1. Kunde bestimmt Ort der Tätigkeit

    In den Projektausschreibungen auf GULP und anderen Projektbörsen steht häufig eine Anwesenheit von 100 Prozent vor Ort, kein Remote oder Remote nur nach Absprache mit dem Kunden.

    Hier ist bereits klar erkennbar, dass der Selbständige in der Regel nicht entscheiden kann, wann und wo er seine Leistung erbringt.

  2. Freiberufler nutzt Infrastruktur des Kunden

    Der Selbständige erhält einen festen Arbeitsplatz oder ein Telefon, schreibt seine E-Mails vom E-Mail-Konto seines Kunden auf dessen unternehmenseigenen Servern mit dessen Signatur-Vorgaben, holt sich das Büromaterial beim Sekretariat.

    Damit ist der Freiberufler im Grunde genau so ausgestattet wie die festangestellten Mitarbeiter des Kunden.

  3. Freiberufler ist eingebunden in Organisation des Kunden

    Der Selbständige nimmt regelmäßig an den Projekt-Meetings, Jour Fixes und sonstigen Besprechungen teil – egal ob vor Ort, Online oder auch per Telefon. Er gehört für einen, mehr oder weniger begrenzten Zeitraum zum Team, geht mit Festangestellten gemeinsam in die Mittagspause und erhält das Essen zum Mitarbeiter-Tarif. Ganz selbstverständlich wird er auch zu Geburtstags- oder Weihnachtsfeiern eingeladen.

  4. Mitarbeiter als fester Teil des Teams

    Oft taucht der Freiberufler im Organigramm der Organisation oder des Projekts auf und gilt somit als fester Teil des Teams. Genauso verhält es sich, wenn er als Urlaubsvertretung beim Kunden fungiert. Als weiteres Indiz für die nicht selbständige Tätigkeit kann auch das Nutzen des Abwesenheits-Assistenten sowie die Ankündigung von Abwesenheiten in der E-Mail-Signatur gewertet werden.

  5. Nutzen von kundeneigenen Vorlagen

    Wenn der Selbständige kundeneigene Vorlagen nutzt, zum Beispiel um Arbeitsergebnisse und Stundennachweise zu erstellen, ist das ebenfalls ein Hinweis auf Scheinselbständigkeit. Genauso verhält es sich, wenn er beispielsweise Zeitnachweise direkt in dem kundeneigenen IT-System (zum Beispiel SAP) erfasst.

  6. Einzuhaltende Vorgaben vom Kunden

    Auch detaillierte Vorgaben durch den Auftraggeber deuten auf Scheinselbständigkeit hin. Wenn dem Freiberufler vorgeschrieben wird, bis wann er seine Rechnung zu stellen hat oder andere Vorgaben gemacht werden, zum Beispiel zu Pausen- und Arbeitszeiten, Arbeit an Feiertagen oder am Wochenende.

11. Wer wird wann von wem überprüft?

#1: Das Statusfeststellungsverfahren

Im Prinzip wird eine Prüfung auf zwei Wegen ausgelöst: Entweder durch ein selbst initiiertes Statusfeststellungsverfahren, das der Selbständige oder der Auftraggeber bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin beantragt. Für das Statusfeststellungsverfahren sind die entsprechenden Formulare der Deutschen Rentenversicherung auszufüllen. Die DRV prüft die Unterlagen und kündigt dann die Entscheidung an.

Bei der Antragstellung ist jedoch häufig Vorsicht geboten: Damit das Verfahren nicht zu einem „falschen“ Ergebnis kommt, ist es angebracht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, heißt es auf der Webseite von clearingstelle.de, einem Dienstleister, bestehend aus einem Team von Rentenberatern und Rechtsanwälten, die Mandanten über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung beraten und aufklären.

#2: Ermittlungen es Zolls

Auch Ermittlungen des Zolls zu Überprüfungen des Mindestlohns oder Betriebsprüfungen der Sozialversicherungen und/oder der Krankenkasse führen dazu, dass Scheinselbständigkeit festgestellt werden kann.

Konsequenzen für Freelancer nach Feststellung von Scheinselbständigkeit

Nicht nur für den Arbeitgeber, der Beiträge rückwirkend nachzahlen muss, hat die Feststellung der Scheinselbständigkeit Folgen: Auch Freelancer müssen mit Nachwirkungen rechnen. Im ersten Schritt ist die Selbständigkeit beendet und er erhält nachträglich zum Beginn des Beschäftigungsverhältnisses den Status des Arbeitnehmers. Hierdurch stehen ihm zahlreiche Rechte zu, beispielsweise Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch oder Lohnfortzahlungsverpflichtung im Krankheitsfall.

Folge für Auftraggeber: Vorsteuerabzug korrigieren

Allerdings muss der nunmehrige Arbeitnehmer auch mit steuerlichen Korrekturen rechnen, wenn das Finanzamt sich einschaltet. Dies kann sowohl die Umsatzsteuer wie auch die Einkommenssteuer betreffen, wenn zum Beispiel die nachgezahlten Sozialversicherungsbeiträge versteuert werden müssen. Außerdem kann es dem Arbeitgeber passieren, dass der Vorsteuerabzug der Honorarrechnungen korrigiert wird, weil es sich rückwirkend betrachtet um Gehalt und nicht um die Rechnung eines Dienstleisters handelte.

Folge für Auftragnehmer: Zurückzahlen der Umsatzsteuer

Bei einer Feststellung einer Scheinselbständigkeit kommt noch dazu, dass bisher ausgestellte Rechnungen vom Auftragnehmer berichtigt und die ausgewiesene Umsatzsteuer als ungültig erklärt werden. Die erhaltene Vorsteuer muss an das Finanzamt zurückgezahlt werden.

Folge für beide: Rentenversicherung

Bei einer Selbständigkeit besteht überdies in der Regel keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Wenn die positive Prüfung auf Scheinselbständigkeit im Nachhinein eine abhängige Beschäftigung feststellt, sind Arbeitnehmer und Arbeitgeber verpflichtet, auch die Rentenversicherungsbeiträge rückwirkend zu entrichten.

12. Vorbeugen: Checkliste „Scheinselbständigkeit“ für Freiberufler

Freelance.de empfiehlt den Abschluss eines Vertrags mit dem Auftraggeber mit folgenden Inhalten

  • Beschäftigung des Vertragspartners als freier Mitarbeiter
  • vereinbartes Honorar inklusive differenzierter Kostenaufstellung
  • genaue Auflistung der zu verrichtenden Aufgaben und zu erbringenden Leistungen
  • genaue Regeln und Konditionen bezüglich Kündigung und Auftragsstornierung
  • eine Verschwiegenheitsklausel des freien Mitarbeiters

Verträge sollten zudem von allen Vorschriften und Regelungen befreit werden. Insbesondere solche, die dem Freiberufler vorschreiben, wie er sich und seine Aufträge zu organisieren hat.

Indiz für Selbständigkeit: Höhe des Honorars

Vor Kurzem hat auch eine Entscheidung des Bundessozialgerichts für Aufatmen bei den Freelancern gesorgt: Es entschied, dass ein Honorar von mehr als 40 Euro pro Stunde ein Indiz für Selbständigkeit darstellt. Der Grund: Der Freiberufler hat mit höheren Honoraren die Möglichkeit, Vorsorge zu betreiben. Allerdings ist die Höhe des Honorars ein Indiz unter vielen, aber kein sicherer Schutz.

Auch die Art der Abrechnung sollte auf den Prüfstand kommen: Abrechnungen auf der Basis geleisteter Stunden sind bei Prüfungen nicht gerne gesehen. Stattdessen sollte der Freelancer über ein Abrechnungsmodell, ähnlich dem von Ärzten nachdenken. Diese errechnen ihr Honorar anhand einzelner Positionen.

Für den Freiberufler heißt dies dann konkret, nicht eine Anzahl von Minuten oder Stunden für eine Tätigkeit in Rechnung zu stellen, sondern besser Pauschalen wie etwa „4 Stück Aufarbeiten von Holztischen“.

Checkliste für Freiberufler

  • Der Auftrag wird nach dem vom Auftragnehmer (=Freelancer) entwickelten Ablauf durchgeführt
  • Die Wahl des Arbeitsorts und die Gestaltung seiner Arbeit unter zeitlichen Gesichtspunkten ist komplett ihm überlassen
  • Der Auftragnehmer darf Aufträge ablehnen und Aufträge anderer Kunden annehmen.
  • Der Auftragnehmer darf Hilfskräfte (eigene Mitarbeiter) einsetzen.
  • Der Freelancer teilt sich seine Tätigkeit so ein, wie es seine zeitlichen Ressourcen zulassen.
  • Der Freelancer erstellt Arbeitsergebnisse in Form von Dokumenten und Präsentationen mit seinem eigenen PC und mit eigenen Vorlagen.
  • Falls es erforderlich ist, sich enger mit internen oder externen Mitarbeitern abzustimmen, vereinbart er die dafür erforderlichen Termine selbst und lässt sich nicht etwa „einbestellen“.
  • Der Freelancer hat immer mehrere Aufträge und Auftraggeber gleichzeitig, für die er tätig ist.
  • Übernimmt der Freiberufler Routine- oder administrative Tätigkeiten, dann sollte er diese in seiner ganz eigenen Art und Weise abarbeiten und nicht nach Vorgaben des Auftraggebers.

13. Vorbeugen: Was Auftraggeber tun können

Um den Anschein von Scheinselbständigkeit zu vermeiden, beschränken viele Firmen die Auftragsdauer für Selbständige. Nach zwölf oder 18 Monaten ist in der Regel Schluss und der Selbständige kann erst wieder nach einer definierten Wartezeit von drei bis hin zu 18 Monaten bei diesem Kunden tätig werden.

14. Beide Seiten tragen beim Thema Scheinselbständigkeit Verantwortung

Im Zweifel sollten Freelancer ihren Auftraggeber auf das Thema Scheinselbständigkeit hinweisen, denn beide Seiten tragen gleichermaßen Verantwortung im Falle von Scheinselbständigkeit. Der Auftragnehmer sollte sich darüber hinaus durch klare Aussagen auch durch eigenes Corporate Design und beispielsweise eigene Arbeitskleidung klar und als eigenständiger Unternehmer vom Auftraggeber abgrenzen.

15. VDSG: Kampagne zum Schutz von Freiberuflern

Der Verband der Gründer und Selbständigen in Deutschland e.V. fordert klare Kriterien, um zu verhindern, dass Selbständige und ihre Auftraggeber im Rahmen der Überprüfung der Scheinselbständigkeit kriminalisiert werden.

Die Vertreter bemängeln vor allem, dass immer rigider angewandte, unzeitgemäße Abgrenzungskriterien, langwierige und willkürliche Statusfeststellungsverfahren sowie widersprüchliche Gerichtsurteile in Verbindung mit unverhältnismäßig hohen Strafen zu einer enormen Verunsicherung bei den Auftraggebern führen. „Bei jeder zweiten (freiwillig beantragten!) Statusfeststellung entscheidet die Deutsche Rentenversicherung (DRV) inzwischen auf Scheinselbständigkeit. 2006 war es noch jeder fünfte Fall“, heißt es auf der Webseite des VDSG.

Die Konsequenz sei, dass viele Auftraggeber, darunter einige der größten Unternehmen in Deutschland, die Vergabe an Solo-selbständige weitgehend eingestellt hätten und Selbständige Aufträge nur noch mit großem bürokratischem Aufwand erhielten.


Bildnachweis. © shutterstock – Titelbild Tithi Luadthong, #1 Kite_rin

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